„United against racism“
Menschenrechte sind universell!
Fakten
Flüchtlinge weltweit
Ende 2019 waren 79,5 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht (das sind 1% der Weltbevölkerung). Davon sind 4,2 Millionen Menschen Asylsuchende. 45,7 Millionen Menschen sind Binnenvertriebene, Menschen, die innerhalb ihres Landes auf der Flucht sind. 80% aller Vertriebenen weltweit leben in Ländern und Gebieten, die von akuter Ernährungsunsicherheit oder Unterernährung betroffen sind. 40% der Vertriebenen weltweit sind Kinder unter 18 Jahren.
(Statistik der UNHCR)
Wie viele Flüchtlinge kamen 2019 nach Deutschland?
Die Zahl der Asylanträge ist im Vergleich zum Vorjahr gesunken, wie bereits in den zwei Jahren zuvor. 111.000 Menschen reisten 2019 nach Deutschland ein, um hier Schutz zu beantragen. Hinzu kommen etwa 23.400 Flüchtlinge, die bereits in Deutschland lebten und einen zweiten Antrag gestellt haben – und rund 31.400 Kinder von Geflüchteten, die hier 2019 geboren sind.
(Mediendienst Integration)
Die NaturFreunde Frankfurt am Main haben sich in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen Projekten in der Solidaritätsarbeit mit Geflüchteten engagiert: regelmäßige Treffs und Kontakte der NaturFreundejugend mit den Bewohner*innen aus der Flüchtlingsunterkunft „Am Poloplatz“, Deutschkurse in Kooperation mit „Teachers on the road“, Organisation von Schlafplätzen in Kooperation mit dem Projekt Shelter und dem BDP.
Die NaturFreunde Frankfurt am Main setzen sich für eine humane Flüchtlingspolitik ein und beteiligen sich an entsprechenden Demonstrationen und engagieren sich dafür, dass Frankfurt ein „sicherer Hafen“ für Geflüchtete wird.
Die NaturFreunde Frankfurt am Main engagieren bei NaturFreunde Global für gute Lebensbedingungen weltweit und für einen sozial verträglichen Tourismus. (siehe unter der Rubrik NaturFreunde Global)
Rede von Wesam Alfarawti
in Hamburg auf der Parade „United against racism“
Am 29.September 2019 gab es eine Parade in Hamburg „United against racism“, organisiert vom Welcome United selbst organisierte Gruppe und mit vielen anderen Organisationen, sowie Netzwerk konkrete Solidarität und Sea-watch.
Neben Themen wie „Frauen im Exil“ oder „Jugendliche ohne Grenzen Chemnitz“, war auch die Seenotrettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer ein Thema. Wie alle anderen privaten Organisationen ist auch Seawatch davon betroffen, keine Schiffe zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer auslaufen lassen zu dürfen. Unser NaturFreundemitglied Wesam Alfarawti von Sea-watch und Netzwerk konkrete Solidarität , hat dort eine eindrucksvolle Rede gehalten. Wir kennen ihn schon von seiner Arbeit bezüglich der Yallah-Ausstellung, die auch in Niederrad zu sehen war
Mehr als 30.000 Menschen sind gestern in Hamburg auf die Straße gegangen - gegen Rassismus und für eine solidarische Gesellschaft ohne Angst. Und auch wir waren auf der We'll come United - Hamburg -Parade in Hamburg.
Mein Name ist Wesam Alfarawti, ich komme aus Syrien und lebe seit Ende 2014 in Deutschland. Ich hatte selbst Flüchtlingsstatus und versuche durch meine politische Arbeit den Weg für andere Geflüchtete zu vereinfachen und gleichzeitig andere Menschen über das, was wir tagtäglich erleben zu informieren.
Ich war bis Oktober 2014 in Libyen und wurde dann auf dem Mittelmeer nach einer schrecklichen Fahrt zusammen mit 276 Menschen von einem Holzboot gerettet.
***Weil die Fahrt mich kaputt gemacht hat und ich mich schuldig fühle, für die Menschen, die die Fahrt nicht überlebt haben, habe ich mich entschieden nicht aufzugeben und tatenlos zuzusehen, sondern anderen Menschen zu helfen und aktiv zu werden*****
Ich denke, dass es unsere Pflicht ist, Menschen nicht ertrinken zu lassen und helfe wo ich nur kann. Ich begebe mich auf die offene See, weil ich genau weiß, was es für Menschen , die in einem Boot sitzen, bedeutet Hilfe zu bekommen.
Alle erleben die schlimmsten Erfahrungen ihres Lebens in Libyen, sie werden dort versklavt und für ein paar 100 Dollar verkauft. Viele Frauen erzählten uns, wie oft sie sexualisierte Gewalt erlitten haben. Wenn man dort ist, wünscht man sich zu sterben, weil das die Erlösung von dieser Hölle bedeutet.
Dort gibt es keine Regierung und keine Gesetze mehr. die Menschen sind völliger Willkür ausgeliefer
Ich war so froh, als ich raus war, noch mehr als wir auf dem Mittelmeer gerettet wurden. Die 14 Stunden fühlten sich an wie 14 Tage und Wochen.
Eigentlich wäre das die Aufgabe der Europäischen Staatengemeinschaft gewesen.
2015 rettete die EU selbst noch Menschen in Seenot, heute verhindert sie dagegen aktiv selbst die private Seenotrettung. Initiativen, ihre Schiffe und Crews wie Sea-Watch, Yuventa oder Lifeline werden am Auslaufen gehindert oder wurden beschlagnahmt.
Aufgrund dieser massiven Unterdrückung von Mitmenschlichkeit und Engagement und des Zynismus‘ in Diskursen um Werte, während gleichzeitig Tausende Menschen ertrinken, versuchen wir in allen Richtungen aktiv zu bleiben.
Seit Fünf Tagen sind keine privaten Seenotrettungsschiffe mehr in Richtung Mittelmeer in See gestochen. In der Zeit, in der die EU alle Routen nach Europa schließt, fehlen uns viele Menschen, die mit uns gemeinsam die Welt ein kleines Stück verbessern könnten. Wir müssen in dieser Zeit alle sehr laut sein, aufstehen und aktiv werden, um das Sterben zu stoppen.
Damit das gelingen kann, müssen Bündnisse wachsen und stärker werden. Es ist gut, dass die Kirchen dazu aufgerufen haben, das Sterben auf dem Meer zu beenden. Wir müssen aber vor allem auch den Druck auf die Europäische Union erhöhen. Es liegt in der Verantwortung der EU Fluchtursachen zu bekämpfen, statt dessen scheint sie ihre selbst auferlegten Werte mit Füßen tretend Menschen auf der Flucht zu bekämpfen. Damit sich für die vielen Festsitzenden endlich etwas tut und alles dafür getan wird, Menschen in Seenot zu retten, müssen Menschen aktiv werden und ihre Politiker*innen daran erinnern in was für einer EU sie leben möchten.
Mit dieser Arbeit möchten wir auch gegen das Gefühl der Ohnmacht ankämpfen, dass sich angesichts der Teilnahmslosigkeit der europäischen Staaten in Teilen der Flüchtlingsbewegung eingestellt hat. Die Öffentlichkeit muss über die Situation der Geflüchteten informiert werden. Man hat versucht die gesamte Seenotrettung zu kriminalisieren. Man hat behauptet, sie würden mit Schleusern zusammenarbeiten, dabei retten wir Menschen vor dem Tod.
Es macht traurig, aber auch wütend das alles zu wissen und zu hören, wie Regierungen behaupten, sie verhandelten mit einer libyschen Regierung und es ginge noch irgendwo um den Schutz von Menschenrechten. Die Wut gibt mir Kraft, mich weiter dafür einzusetzen, dass sich die Verhältnisse verändern, dass wir friedlich und zum Wohl aller zusammenleben und, dass Menschen, die Schutz benötigen, diesen auch bekommen. Darum: „Yallah!“ - jetzt alle zusammen!
Wesam Alfarawti
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Bericht zur digitalen Matinee "Seenotrettung"
Sonntag, den 31. Januar 2021
Wesam Alfarawti, Naturfreund und Aktivist, war am 31.1.2021 zu Gast bei der politischen Matinee der NaturFreunde Frankfurt. An der digitalen Veranstaltung haben 16 Personen teilgenommen.
Wesam ist Trainer in der politischen Bildung für das Thema Flucht und Migration bei der Europäischen Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Weimar und er ist seit 2017 Aktivist bei Sea-Watch. Wesam, der selbst als Flüchtling von Syrien nach Deutschland gekommen ist, hat eine Zeitlang in der Flüchtlingsunterkunft gegenüber dem NaturFreundehaus „Am Poloplatz“ gelebt. Hier entstand der Kontakt zwischen den NaturFreunden und Wesam.
Wesam schildert die unmenschliche Situation in Libyen, dem häufigsten Transitland auf dem Weg nach Europa. Menschen, die vor einer hoffnungslosen Situation in ihrem Heimatland fliehen, werden in Internierungslagern festgehalten, wo sie ohne Schutz Gewalt, Versklavung und Folterung ausgesetzt sind. Nur die Flucht über das Mittelmeer bietet die Chance dieser Hölle zu entkommen. Auf dem Weg über das Mittelmeer werden die instabilen und überfüllten Flüchtlingsboote durch gefährliche Manöver der libyschen Küstenwache in Bedrängnis gebracht und aus europäischen Such- und Rettungszonen zurück nach Libyen verschleppt. Menschen springen in Panik aus den Booten und ertrinken. Wesam der diese „Hölle“ in Libyen 2014 selbst erlebt hat, schildert, dass Menschen lieber sterben, als in den unmenschlichen Lagern zu verbleiben oder dorthin zurückgeführt zu werden. Empörend und beschämend ist, dass die EU dieser Situation zusieht und die Lager und die libysche Küstenwache mitfinanziert. Die EU hat die eigene Seenotrettung eingestellt, da sie die geretteten Flüchtlinge nicht in unsichere Länder wie Libyen zurückbringen dürfte. Um den sogenannten „Schutz der Außengrenzen“ gegenüber den Geldgebern nachweisen zu können, werden auch Boote mit Flüchtlingen unter den Augen der libyschen Küstenwache aufs Meer geschickt, um sie dann wieder zurückzuholen. Ein menschenverachtendes und kriminelles System – finanziert von der EU!
Wesam schildert die Arbeit von Sea-Watch. Nach mehreren Wochen Vorbereitungszeit sind die Rettungsschiffe in der Regel vier Wochen im Einsatz auf dem Mittelmeer. Inzwischen hat die Organisation ein Flugzeug, das aus der Luft ortet, wenn Menschen in Seenot sind und die Infos an die zivilen Rettungsschiffe weitergibt. Von Seiten der libyschen Küstenwache gibt es immer wieder Einschüchterungsversuche gegenüber den zivilen Seenotrettungsorganisationen z.B. durch gefährliche Manöver und Schusswaffengebrauch. In der EU werden zivile Rettungsorganisationen kriminalisiert, Schiffe werden festgesetzt und die Crew wird mit Gerichtsprozessen und angedrohten Haftstrafen an ihrer Arbeit gehindert. Das Anlegen der Schiffe mit geretteten Flüchtlingen an Bord in einem europäischen Hafen wird tage- oder wochenlang verzögert und erschwert.
Die Teilnehmer*innen an der politischen Matinee haben diskutiert, was man als Organisation, als Einzelner, tun kann – außer an die Flüchtlingsinitiativen und Rettungsorganisationen zu spenden - um zu zeigen, dass man mit dieser unmenschlichen Flüchtlingspolitik nicht einverstanden ist und dass sie im Sinne der universellen Menschenrechte beendet werden muss. Die NaturFreunde haben sich bereits in den letzten Jahren mit Angeboten im NaturFreundehaus und für die Unterbringung von obdachlosen Flüchtlingen engagiert. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte vieles nicht mehr stattfinden. Angedacht ist es - sobald wie möglich – in Kooperation mit der Flüchtlingsunterkunft der Diakonie am Poloplatz - für Kinder „Lesepatenschaften“ anzubieten. Wesam regt an, die Geflüchteten zu fragen, welche Unterstützungsangeboten sie sich wünschen. Auf politischer Ebene sollten wir den anstehenden Kommunal- und Bundestagswahlkampf nutzen, um Druck auf Parteien und Kanditat*innen für eine humane Flüchtlingspolitik zu machen. Anknüpfen können wir an unser Schreiben an den Oberbürgermeister Peter Feldmann, Frankfurt zu einem „sicheren Hafen“ zu erklären. Auch wenn Peter Feldmann sich dafür ausgesprochen hat, gibt es dazu keinen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung. Wir sollten unsere bisherigen Kontakte mit Flüchtlingsinitiativen, wie z.B. „Seebrücke“ nutzen, um gemeinsame Aktionen abzustimmen. Auch den Internationalen Tag gegen Rassismus im März bietet die Möglichkeit auf die menschenunwürdige Flüchtlingspolitik aufmerksam zu machen. Abschließend wurde vereinbart, dass die Teilnehmer*innen sich noch einmal digital treffen, um zu besprechen, wie der Bundestagswahlkampf genutzt werden kann, um sich für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik einzusetzen.
Ideen sind erwünscht und können an Vorstand der NaturFreunde Frankfurt am Main geschickt werden: info@naturfreunde-ffm.de
Siehe auch die Rede von Wesam auf der Parade „United against racism“ am 29. September 2019 in Hamburg unter der Rubrik „Solidarisch mit Geflüchteten“
Nachfolgend einige links zum Thema:
https://ejbweimar.de/de/mfj/trainer-innen-in-ausbildung/