NaturFreunde und Ostermarsch
Es gab und gibt immer drei gute Gründe, sich als NaturFreundIn am Ostermarsch zu beteiligen:
1. Man geht zu Fuß
2. Er ist gegen den Krieg (hat also eine politische Aussage)
3. Es ist eine Kulturveranstaltung (Aussage: Fritz Amann)
Schon auf ihrer ersten Bundesjugendkonferenz nach dem Krieg auf dem Hohen Meißner im Jahre 1950 legt die Naturfreundejugend das Gelöbnis ab: „Den Krieg ächten und für den Frieden kämpfen!“ Mit Protestresolutionen gegen die Remilitarisierungsabsichten und die Gründung der Bundeswehr im Mai 1955 wandte sie sich an die Bundesregierung und forderte die gesetzliche Absicherung des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung und eine eigene antimilitaristische Erziehungsarbeit. Man schloss sich mit den Falken, der DGB-Jugend, der Solidaritätsjugend, der Arbeiter-Samariter-Jugend und dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) zu einer lokalen Arbeitsgemeinschaft der schaffenden Jugend zusammen.
„Allen Warnungen deutscher Nobelpreisträger, ihrer berühmten ,Göttinger Erklärung‘ vom April 1957 und vielen anderen stichhaltigen Einwänden und Protesten zum Trotz beschloss die Regierungsmehrheit des Deutschen Bundestages nach heftigen Debatten: Angesichts der Aufrüstung des möglichen Gegners sei es geboten, die Streitkräfte der BRD mit den modernsten Waffen so auszurüsten, dass sie den übernommenen Verpflichtungen im Rahmen der NATO zu genügen vermögen.“ (Klaus Vack) Und Franz Josef Strauß: „Ein Verzicht auf Kernwaffen unter den gegebenen Umständen und im Augenblick würde militärisch eine Preisgabe Europas an die Sowjetunion bedeuten.“
Nachdem sich die SPD (Planziel: Große Koalition) und der DGB 1958 von der Kampagne Kampf dem Atomtod verabschiedeten (zu der beide anfangs mit großem moralischem Pathos, die atomare Gefahr beschwörend, aufriefen), fanden sich christliche und atheistische Pazifisten, gestandene Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter und viele junge Leute (u.a. Falken, DGB-Jugend und Naturfreundejugend) zusammen, um 1959 die erste Anti-Atom-Demonstrationswanderung von Steinheim nach Offenbach ins Leben zu rufen.
Klaus Vack (Landesjugendsekretär der NaturFreunde) war damals die treibende Kraft für die Naturfreundejugend Hessen, Willi Malkomes war für die Landesjugendleitung und als Bezirksjugendleiter für die Ortsgruppe Frankfurt mit dabei.
In einem Protokollauszug der Jahresmitgliederversammlung der Ortsgruppe Frankfurt vom 24. Februar 1961 kann man lesen: „Unsere Stellung zum Militär ist bedingt durch unsere Entschließung vom Jahre 1959, wir können die Schwenkung der SPD nicht mitmachen. In England nehmen an den Ostermärschen gegen die Atombewaffnung alljährlich Hunderttausende teil, in diesem Jahr in Deutschland werden wir in 4 Märschen unserem Verlangen gegen Atombewaffnung Ausdruck geben.“
1961 führte der Ostermarsch, wesentlich getragen und mitorganisiert von der hessischen Naturfreundejugend, von Miltenberg nach Frankfurt. Von den damals 300 TeilnehmerInnen kamen 40 von den Falken, 30 von der Gewerkschaftsjugend, 10 von den Jusos, 30 vom Verband der Kriegsdienstverweigerer (VK), 30 von kirchlichen Bruderschaften und 160 von der Naturfreundejugend. Auf einer Abschlusskundgebung auf dem Frankfurter Römerberg sprach Herbert Faller, Frankfurter NaturFreunde-Mitglied und Bundesvorsitzender:
„Unser Marsch ist nicht allein Demonstration gegen Krieg; er ist eine Demonstration für das Leben. Daher die vielen jungen Menschen, die das Leben noch vor sich haben. Sie haben ihre Instrumente mitgebracht, ihre Lieder und ihre Skepsis gegen die verstaubten Ideale von gestern.“
Die Essensversorgung der Ostermarschteilnehmer hatten übrigens die Städtischen Küchenbetriebe Frankfurt übernommen. Der zuständige Verwaltungsbeamte der Frankfurter Stadtküche, der die Versorgung der Teilnehmer bei seinem Dezernenten durchsetzen konnte, war gleichzeitig der Landesvorsitzende der NaturFreunde August Schuy.
Ruth und Willi Malkomes erinneren sich noch gut an den ersten hessichen Ostermarsch. „Es hat so heftig dauergeregnet. Es gab Nudeln mit Soße, doch bis man zum Essen kam war daraus eine Nudelsuppe geworden. – Aber es gab auch bunte Ostereier.“
Nachdem die Falken sich als Organisation nicht mehr am Ostermarsch beteiligen durften (SPD-Druck), war die Naturfreundejugend als die einzig relevante Kraft der Arbeiterju
gendbewegung übriggeblieben. Einzelne Jugendgruppen der Falken (Westend, Bockenheim, Riederwald) marschierten trotzdem mit.
„Sie (die Naturfreundjugend) bestimmt wesentlich die Form und die programmatische Entwicklung zur allgemeineren politischen Auffächerung des Ostermarsches hin zur Kampagne für Abrüstung – dann: Kampagne für Demokratie und Abrüstung. Sie treibt die Konflikte mit dem rein pazifistischen Teil voran, macht politische und gesellschaftliche Widersprüche in der Abrüstungsforderung deutlicher. Die politische Kultur des Ostermarsches in seinen Protestformen (Flugblattzeitung, Straßentheater, Polit-Songs, agitatorische Wandmalerei, SkiffleGroups, soziales Wandern) steht in wechselseitiger Beziehung zur Entwicklung der kulturellen Form der Arbeit der Naturfreundejugend.“ (Manfred Geiss, damals Bundesjugendleitung)
Die folgenden Ostermärsche 1962 von Gießen, 1963 vom Odenwald nach Offenbach, 1964 von Wiesbaden, 1965 von Mainz, 1966 von Gelnhausen, 1967 von Hanau hatten (außer 1963) immer als Ziel der Abschlusskundgebung den Römerberg in Frankfurt. Sie wurden weiterhin getragen und mitorganisiert von der Naturfreundejugend. Sie übernahm immer mehr die Funktion eines politischen Jugendverbandes.
Nach dem Einmarsch der UdSSR in die damalige Tschechoslowakei 1968 zerfielen sowohl die Ostermarsch-Bewegung als auch die Naturfreundejugend in verschiedene politische Fraktionen. Klaus Vack gründete mit anderen das Komitee für Grundrechte und Demokratie und blieb als Organisator und Denker der Bewegung erhalten.
Auch heute noch beteiligen sich viele NaturFreunde an den Ostermärschen. Es ist schon Tradition, dass man sich am Ostermontag im Stadtteil Niederrad trifft und in einem gemeinsamen Marsch zum Römerberg demonstriert. Zwischen 100 und 300 Teilnehmer beteiligen sich oft mit Fahnen und Spruchbändern an dem gemeinsamen „Wandern“ an Ostern. Auf dem Römer trifft man dann auf NaturFreunde aus ganz Hessen, die ebenfalls davon überzeugt sind, dass ihr Engagement weiterhin notwendig ist.
Elke Lamprecht
(aus unserem Jubiläumsheft)