Es ist Sonntag Mittag und heiß für europäisches Empfinden. Schon in der Lodge von Janjanbureh am Gambiafluß haben wir den Vormittag über, afrikanisch gelassen, gewartet. Und nun sitzen wir auf den Gouverneursplatz unter einem Zeltdach und warten auf den Beginn der Abschlussveranstaltung zur „Landschaft des Jahres 2018/2020“ der NFI in Senegambia, sowie dem Auftakt zu125 Jahren NaturFreunde-Bewegung.
Versprochen wurde uns angereisten NaturFreunden aus Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden, Deutschland und natürlich aus Österreich eine festliche Veranstaltung, ohne zu viele und zu lange Reden und mit kulturellen Einlagen. Wir sind gespannt und warten auf das Eintreffen des Gouverneurs dieser gambischen Region.
Die kurzen Ansprachen von örtlichen VertreterInnen und dem Koordinator des Austausches in Kongheul (Senegal) werden von kulturellen Auftritten untermalt. Da die Abschlussveranstaltung der „Landschaft des Jahres“ gleichzeitig die Auftaktveranstaltung für das Jubiläumsjahr der internationalen NaturFreunde-Bewegung über 125 Jahre ist und auch mit der alten, kulturellen gambischen Tradition des Kankurangfestes zusammen gelegt wurde, ist mit Tänzen aus dieser Tradition für lebendige, ursprüngliche afrikanische Tradition gesorgt.
Ein Kankurang ist ein Medizinmann oder Waldgeist, der früher die zur Beschneidung vorgesehenen Jungen in den Wald führte und dort in der rituellen Zeit bis zur Heimkehr in ihr Dorf beschützte. Diese Zeremonie wird von maskierten und verkleideten Tänzern mit wilden Rhythmen von monotonen Trommeln und Trillerpfeifen begleitet. Das Publikum ist zum Mittanzen eingeladen, aber auch zum Spenden für die Künstler. Mehrere Male werden die Ansprachen von solchen Kankurang-Darbietungen unterbrochen.
Am Nachmittag findet eine Einweisung in den Bau einfacher, energiesparender Kochstellen aus Lehm statt. Fatim, eine guineische NaturFreundin, leitet das in einem Workshop für 20 Frauen des Ortes an. Den Erfolg erhofft man sich durch Mund-zu-Mund-Information.
Da auf Beschluss der NFI Gambia seit Ende letzten Jahres auch Mitglied der großen Naturfreundefamilie ist, sollen auch in diesem Land Projekte initiiert werden. Eines davon ist der erwähnte Feuerstellenbau. Aber auch Baumpflanzungen sollen stattfinden.
Dazu fahren wir am nächsten Tag in ein kleines Dorf. Hier übergeben wir jeder Familie drei Obstbäume und pflanzen diese mit ihnen gemeinsam auf ihrem Grundstück. Die Pflanzlöcher waren schon vorbereitet. Es werden jeweils ein Zitronenbaum, ein Mangobaum und ein Breiapfelbaum an jede Familie übergeben. Alle helfen mit beim Einsetzen und Wässern. Selbst die Jüngsten versuchen schon Hand anzulegen. Natürlich müssen die Setzlinge dann auch noch vor den frei umherlaufenden Ziegen geschützt werden. Das tun die Dorfbewohner in den nächsten Tagen.
Die übrigen Bäume übergeben wir einer nahe gelegenen Schule, in der Kinder und Jugendliche auch wohnen und sich versorgen. Diese Schule wird von einer Deutschen aus dem Badischen aufgebaut und unterstützt, um neben dem Koran auch Englisch und Mathematik zu lehren.
Alle Bäume dieser Pflanzaktion wurden übrigens durch eine großzügige Spende unserer lieben NaturFreundin aus Barsinghausen, Meike Walther, ermöglicht.
Ehrungen werden auf dieser Reise häufiger ausgesprochen: Auf unserer Fahrt zurück in den Senegal besuchen wir auch die Partnerstadt Kongheul. Zwischen dieser Stadt und Janjanbureh fand im vergangenen Jahr ein Schüleraustausch statt, jeweils an einem Wochenende. Seit der Öffnung Gambias vor 5 Jahren war das das erste Mal, dass Jugendliche beider Nationen sich besuchten. Dies hatte eine großartige Spendenaktion der Offenbacher NaturFreunde möglich gemacht. Dafür wurde den Vertretern, Kristine und Johannes Borst-Rachor, in der örtlichen Schule ein herzlicher Dank ausgesprochen.
Im Senegal besuchen wir auch die Baumpflanzungen von vor zwei Jahren. Zu aller Freude sind 70% der Setzlinge dank der guten Pflege der verantwortlichen Bäuerinnen hervorragend angegangen. Die ersten Bäume tragen sogar schon Blüten.
Die Weiterreise birgt immer wieder Überraschungen. Nach dem Besuch des Gambiariver Nationalparks, wo wir frei lebende Schimpansen und Flusspferde sehen können, geht unsere Fahrt ins Saloum-Delta. Dazu müssen wir mit Pirogen übersetzen (bunt bemalte große Holzboote). Allerdings können diese Boote nicht direkt an Land anlegen, sodass wir durch Wasser waten und kreative Wege finden müssen, um in die Boote mit ihrem hohen Rand zu kommen. So manche NaturFreund*in wird dabei nass bis auf die letzte Faser, verliert ihr Handy im Salzwasser oder holt sich blaue Flecken beim Hineinklettern.
Hier im Saloum-Delta nächtigen wir in einem sehr noblen Hotel. Drei Tage genießen wir die Umgebung, den Pool und die Ruhe. Sogar eine Königin besuchen wir. Auf der Insel Sipo im Delta lebt ein Volksstamm, der noch von einer über 90jährigen Königin regiert wird. Sie spricht Recht und berät bei Schwangerschaften und Geburten. Die Regentschaft ist von ihrem Vater auf sie übergegangen, so wird das auch weiterhin auf ihren Sohn übertragen werden.
Neben den Baumpflanzungen gibt es auch kleine Kooperationen und Fraueninitiativen, die von den afrikanischen und internationalen NaturFreunden unterstützt werden. So besuchen wir in Gambia die Initiative von Iasatou. Hier werden kreative Möglichkeiten entwickelt, der Abfälle Herr zu werden. Es werden Taschen aus Plastikstreifen oder Kassettenbändern gehäkelt, mit Sand gefüllte Plastikflaschen als Baumaterial genutzt, aus verkohlten Resten Feuermaterial hergestellt. In anderen Kooperativen im Senegal werden Baobabkerne zu Öl verarbeitet, Marmelade hergestellt oder Baumsetzlinge gezogen zur kostenfreien Abgabe an bedürftige Familien. Und natürlich gibt es auch noch die Gemüsekooperative in Petit Mbao, die ihr Angebot deutlich ausgeweitet hat und von mehreren Seiten Unterstützung erfährt.
Wieder zurück im NaturFreundehaus in Petit Mbao, sind wir auch noch touristisch unterwegs. Wir besuchen das private Tier-Reservat Bandia. Hier leben Tiere, die aus anderen Ländern in Westafrika im Senegal wieder angesiedelt werden sollen.
Außerdem hören wir am letzten Abend unserer Reise ein Kora-Konzert. Die Kora ist ein Saiteninstrument, gefertigt aus einer großen Kalebasse, bespannt mit Tierhaut. Gemeinsam mit dem Koraspieler musizieren wir auf einer Gitarre und singen dazu. Auch so können sich Völker und Kulturen verständigen.
Unserer Reiseleiterin Ingeborg danke ich an dieser Stelle ganz herzlich für die perfekte Organisation. Auch sie wurde ausgezeichnet für die vielen Jahre, die sie Afrikareisen für die Naturfreunde organisiert hat. Auch Mamadou Mbodji, gemeinsam mit den übrigen Mitgliedern des Vorstandes von ASAN, der NaturFreundeorganisation im Senegal, waren wieder rührend um uns alle bemüht.
Nun bleibt nur zu hoffen, dass die Corona-Zeit von all unseren Bemühungen nicht zu viel zurückgeworfen hat. Bei den Baumpflanzungsprojekten, dem Ausbildungsprojekt in Bakhar bei St.Louis und den zarten Austauschbemühungen zwischen den Jugendlichen von Gambia und dem Senegal. Vergessen wir neben unseren Sorgen in Europa den globalen Süden nicht, vergessen wir Afrika nicht!
Der Film, den ich zu unserer Reise gedreht habe, soll dazu beitragen. Er soll in vielen Ortsgruppen gezeigt werden, sobald das wieder möglich ist.
Claudia Lenius